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Yusuf konnte nicht mehr ohne seine Mutter sein

Als Yusuf (Name geändert) vier Jahre alt war, war sein Vater schwer an Krebs erkrankt und gestorben. Vor allem die letzte Phase im Krankenhaus war sehr schwierig für alle. Die Mutter schwankte, wie viel Offenheit wichtig ist und wie viel Schonung nötig. Doch der Junge begriff auch ohne viele Worte. Yusuf konnte nach dem Verlust des Vaters nicht mehr allein sein, nicht mehr allein im Zimmer spielen, nicht mehr allein schlafen. Ständig musste die Mutter bei ihm sein. »In der ersten Phase ist dies normal, um kurzfristig mit dem Verlust des Vaters umzugehen«, erklärt die Psychotherapeutin. »Aber irgendwann musste die Mutter wieder zur Arbeit und Yusuf in die Kita.« Doch Yusuf ließ seine Mutter auch in der Kita nicht los, klammerte, weinte und war nicht zu beruhigen. Bei seiner Kinderärztin verkroch er sich unter die Behandlungsliege und war zunächst nicht mehr hervorzulocken. Er spielte nicht mehr mit Freunden und besuchte nicht mehr die Tiere des Nachbarn, wenn die Mutter nicht dabei war. Auch bei der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin ließ Yusuf seine Mutter nicht los. Einige Stunden sprach er kein Wort, sondern spielte und passte auf, dass die Mutter den Raum nicht verließ. Die Psychotherapeutin gab ihm die Zeit, die er brauchte. Eines Tages kam er in die Praxis und sagte: »Ich habe dir etwas mitgebracht!« Das Geschenk war ein Hühnerei. Seit dem Tod des Vaters kümmerte er sich um die Hühner der Familie.


Noch saß die Mutter dabei, wenn die Therapeutin mit Yusuf über seine Angst sprach, er mit ihr spielte oder die beiden ein Buch anschauten. Gemeinsam überlegten sie, wie sie üben könnten, die Angst zu besiegen. Könnte er sich vorstellen, nur zusammen mit seinen Geschwistern zu sein oder nur mit der Oma. Gemeinsam mit der Psychotherapeutin zeichnete Yusuf eine Wanderkarte. Darauf waren Stationen, für die es Mut brauchte. Erste Stationen der Wanderung waren: allein im Zimmer bleiben, im Garten am Haus mit einem Freund spielen, ohne Mama die Tiere des Nachbarn besuchen. Abends überlegten Mutter und Sohn gemeinsam, was er am Tag geschafft hatte und worauf er stolz sein konnte. 


Dann kam die Stunde, in der die Sprechstundenhilfe während der Therapie hereinkam und sagte, die Mutter müsse kurz ans Telefon kommen. Yusuf nahm es hin, dass die Mutter den Raum verließ. Von diesem Moment an war er bereit, allein mit der Therapeutin zu sprechen. Er ließ die Mutter gehen und bestand fortan auch nicht mehr darauf, dass die Mutter bei der Psychotherapie anwesend war. 


Bei den Tieren des Nachbarn war Yusuf bereits eine Stunde gewesen. Ein Tag in der Kita dauerte aber deutlich länger. Deshalb blieb die Mutter anfangs noch ein paar Mal in Rufweite. Doch der Kontakt zu den anderen Kindern gelang. Außerdem bekam Yusuf die Aufgabe, in der Kita alles Spielzeug durchzuspielen. Auch davon sollte er abends seiner Mama erzählen. Dann waren die Probleme nicht mehr so überwältigend groß und beide konnten entspannt zusammen sein. Auch Yusufs Mutter musste lernen, ihn wieder loszulassen und ihm zu helfen, den Alltag wieder allein zu bewältigen. Sie musste seine Fragen zum Tod und dem, was dann kommt, beantworten.

Und sie lernte verstehen, dass Kinder anders trauern als Erwachsene.

Inzwischen ist die Wanderkarte überflüssig. Yusuf tut wieder viele Dinge, die er vor dem Tod des Vaters auch getan hatte und sogar noch ein bisschen mehr. Inzwischen kauft er sogar allein beim Bäcker ein. Darauf ist er sehr stolz. In 15 Stunden Psychotherapie gewann Yusuf wieder ausreichend Sicherheit und Selbstvertrauen, seinen Bewegungsspielraum Schritt für Schritt zu vergrößern. Traurig über den Verlust seines Papas ist Yusuf immer noch. Das braucht Zeit…

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