Der Übergang von der Kita in die Schule ist die nächste große Veränderung für Kinder. Sie können sich nicht mehr aussuchen, womit sie sich den Tag lang beschäftigen, sondern sie müssen vor allem Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Neue Lehrer*innen ersetzen die bisherigen vertrauten Erzieher*innen und neue Freund*innen in der Klasse die alten aus der Kita.
Die Kinder müssen immer stärker gesetzte Anforderungen erfüllen: Anfangs müssen sie lernen, länger still auf einem Stuhl sitzen zu bleiben und konzentriert an einer vorgegebenen Aufgabe zu arbeiten. Sie lernen immer mehr, sich selbstständig Wissen anzueignen und sich gegenseitig zu helfen. Sie lernen, mit Erwartungen und Vergleichen zu leben: Das eine Kind lernt schneller rechnen, schöner schreiben, fantasievoller zeichnen oder geschickter mit dem Ball umzugehen als die übrigen. Jedes Kind aber sollte seine Talente entdecken und in seinem Tempo lernen können.
Mein Kind kann kaum stillsitzen und sich nur schlecht konzentrieren
Manche Kinder haben einen starken Bewegungs- und Entdeckungsdrang. Ihnen fällt es besonders schwer, eine längere Zeit ruhig auf einem Stuhl zu sitzen. Sie sind immer in Aktion, springen häufig auf, lassen sich leicht ablenken und es fällt ihnen schwerer als anderen, sich länger als ein paar Minuten auf eine Sache zu konzentrieren. Sie haben viel zu erzählen und es ist ihnen kaum möglich, anderen zuzuhören, ohne sie zu unterbrechen. Vielen dieser Kinder fällt das Lernen schwer. Sie merken, dass sie es nicht schaffen, die Erwartungen der Lehrer*innen und Eltern zu erfüllen und verlieren deshalb schnell die Freude am Unterricht, manchmal an der Schule überhaupt.
Wenn ihr Kind in der Schule nicht mitkommt, sind die meisten Eltern sehr besorgt. Sie bemühen sich, mit den Kindern Stillsitzen und Konzentration zu üben und Rückstände aufzuholen. Doch die elterliche Förderung gerät schnell in einen Teufelskreis: Dem Kind fällt es schwer, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, und die Eltern werden immer ärgerlicher und gereizter, weil das Kind die schulischen Anforderungen nicht erfüllt.
Leidet mein Kind unter ADHS?
Wenn Kinder Probleme in der Schule und der Familie haben, weil sie sehr impulsiv und überaktiv sind und sich besonders schlecht konzentrieren können, fragen sich viele Eltern, ob ihr Kind unter ADHS leidet. ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Für eine ADHS-Diagnose sind jedoch aufwendige Untersuchungen notwendig. Dafür sollten Sie sich an eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in oder eine Kinder- und Jugendpsychiater*in wenden.
Damit die Konflikte mit ihren impulsiven, unaufmerksamen und unruhigen Schulkindern nicht immer weiter zunehmen, können Eltern folgende Empfehlungen helfen:
Mein Kind ist sehr schüchtern und hat Angst, etwas falsch zu machen
Manche Kinder sind von Natur aus schüchtern. Sie sind am liebsten mit ihrer Familie und ihren engsten Freund*innen zusammen. In großen Gruppen fühlen sie sich unwohl. Manche haben auch Angst, etwas Falsches zu machen oder zu sagen und deshalb ausgelacht zu werden. Wenn sie von Fremden etwas gefragt werden, schauen sie auf den Boden und antworten entweder gar nicht oder nur ganz leise. Sie vermeiden es, im Mittelpunkt zu stehen. Wenn Kinder in die Schule kommen, können diese Eigenschaften zu Stolpersteinen werden. Schüchternen Kindern fällt es häufig schwer, in der neuen Klasse ihren Platz zu finden und Freundschaften zu schließen. Die Angst, im Mittelpunkt zu stehen, die Sorge, sich zu blamieren und die Frage der Lehrer*in nicht beantworten zu können, führen dazu, dass sie sich nicht am Unterricht beteiligen. Sie stehen in der Schule ständig unter Stress und Anspannung.
Bei vielen Kindern gehen solche Ängste wieder vorbei, wenn sie sich an die Schule gewöhnt und nach einer Zeit Freund*innen gefunden und Vertrauen zu den Lehrer*innen aufgebaut haben. Bestehen die Ängste aber fort, können sie dazu führen, dass diese Kinder überhaupt nicht mehr in die Schule gehen wollen.
Manche Kinder entwickeln auch körperliche Beschwerden wie Bauch- und Kopfschmerzen, sie müssen sich erbrechen, wenn der Stress zu groß wird, sie schlafen schlecht, verlieren auch die Freude an Dingen, die nichts mit der Schule zu tun haben, ziehen sich immer mehr zurück und sehen die Zukunft eher düster. Wenn die Ängste ihres Kindes sehr stark sind, länger als ein halbes Jahr anhalten oder ihr Kind und sie selbst sehr darunter leiden, dann sollten Eltern professionelle Hilfe suchen. Schulängste können nicht nur den Schulanfang schwierig machen. Sie können auch noch später auftreten, wenn die Kinder in eine weiterführende Schule wechseln oder mit dem Studium oder einer Ausbildung beginnen – also immer dann, wenn die sozialen und Leistungsanforderungen deutlich steigern.
Medizinische Rehabilitation
Manchmal kann es sinnvoll sein, dass ein Kind eine medizinische Rehabilitation erhält. Eine Reha kann für Kinder und Jugendliche, zum Beispiel mit psychischen Erkrankungen wie ADHS, Ängsten oder Depressionen beantragt werden, aber auch bei körperlichen Erkrankungen wie Asthma, Neurodermitis oder starkem Übergewicht, bei denen psychische Faktoren eine große Rolle spielen. Erste Ansprechpartner*innen für eine Reha sind Kinderärzt*innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendpsychiater*innen. Weitere Informationen:
Mein Kind ist aufbrausend und aufsässig
Manche Kinder haben ein aufbrausendes Temperament. Sie sind leicht erregbar und zornig und haben besonders häufig schwere Wutanfälle. Sie streiten sich oft mit ihren Eltern, Geschwistern und anderen Kindern. Manchmal sind sie aufgrund ihrer impulsiven Energie Anführer*in, häufiger sind sie allein. In der Schule weigern sie sich, Anweisungen und Regeln zu befolgen. In Konflikten reagieren sie mit Beschimpfungen, manchmal schlagen und treten sie um sich. Zunächst sind sie in der Familie so, später dann im Kindergarten und bei manchen Kindern nimmt dieses aufsässige Verhalten mit der Schule noch einmal deutlich zu. Dadurch stören sie den Unterricht und ecken auch bei ihren Mitschüler*innen an. Viele Kinder sind nur vorrübergehend so aufbrausend und aufsässig, andere jedoch bis ins Jugendalter. Bei manchen nimmt es sogar noch zu, je kräftiger und selbstständiger sie werden. Sie schwänzen dann die Schule, lügen und stehlen.
Auch hier kommt es häufig zwischen Eltern und Kindern zu einer Negativspirale. Wichtig ist es, solche Eskalationen möglichst frühzeitig zu unterbrechen. Hierfür kann es hilfreich sein, wenn Eltern sich professionelle Unterstützung suchen.
Solche Unterstützung kann ihnen helfen, mit mehr Ruhe und Gelassenheit auf ihr Kind zu reagieren und nicht vorschnell mit Verboten und drakonischen Strafen. Auch bei aufbrausenden und aufsässigen Kindern ist es wichtig, klare Regeln aufzustellen und sie konsequent einzuhalten und vor allem, in diesen Kindern nicht allein ein Problem zu sehen. Viel hängt davon ab, ob es den Eltern gelingt, immer wieder auch Situationen herzustellen, in denen sich die Kinder angenommen fühlen und Eltern und Kinder Freude am Zusammensein haben. Die Wüteriche können lernen, ihre Gefühle zu benennen und darüber zu sprechen, ihre Wünsche zu äußern, mit Kritik umzugehen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu verstehen, was ihr Verhalten bei anderen auslöst. Das heißt, sie können lernen, Konflikte besser auszuhalten und zu lösen.
Mein Kind kann nicht gut lesen, schreiben und rechnen
Es gibt Kinder, die haben größere Schwierigkeiten als andere, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen, obwohl sie in anderen Schulfächern gute oder sogar sehr gute Leistungen erbringen.
Wenn Eltern oder Lehrer*innen den Verdacht haben, dass das Kind eine Lese- und Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) oder Rechenschwäche (Dyskalkulie) hat, sollte eine spezifische Diagnostik durchgeführt werden.
Erste Ansprechpartner*innen hierfür sind Schulpsycholog*innen. Aber auch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, Kinder- und Jugendpsychiater*innen oder auch die Kinderärzt*in können helfen und die speziellen Untersuchungen durchführen oder veranlassen. Wenn die Untersuchungen ergeben, dass die Kinder solche begrenzten Leistungsschwächen haben, dann benötigen sie eine spezielle Förderung durch die Schule und eventuell auch eine Lerntherapie. Das Training von Lesen, Schreiben oder Rechnen nur mit den Eltern oder durch Nachhilfe hilft dann nicht weiter. Lerntherapien können auf Antrag über das Jugendamt finanziert werden (Rechtsgrundlage ist § 35a SGB VIII). Allerdings wird nicht jeder Antrag bewilligt. Auskünfte und Rat bieten auch die Selbsthilfeorganisationen, allen voran der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.
Psychische Belastungen bei Kindern mit Handicaps
Kinder mit geistigen Behinderungen oder tiefgreifenden Entwicklungsstörungen wie Autismus haben ein erhöhtes Risiko für psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen. Es ist um das Drei- bis Vierfache höher als bei Kindern, die sich altersgerecht entwickeln. Sie entwickeln Probleme häufig im sozialen Verhalten, sind überaktiv und haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Auch aggressives und selbstverletzendes Verhalten wie Kopfschlagen, Haareausreißen oder Beißen sind nicht selten. Kinder mit geistiger Behinderung oder Autismus können aber auch unter Ängsten und Depressionen leiden. Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen können diesen Kindern und ihren Eltern helfen, psychische Probleme zu lindern und besser damit umzugehen. Die Diagnose und Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung stellt besondere Anforderungen an Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen. Eltern können sich an die Psychotherapeuten- oder die Ärztekammer ihres Bundeslandes wenden, um sich zu erkundigen, welche Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen oder Kinder- und Jugendpsychiater*in in ihrer Nähe sich auf deren Behandlung spezialisiert haben.
Hilfe und Unterstützung bieten auch »Sozialpädiatrische Zentren«. Sie sind auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung oder Mehrfachbehinderung spezialisiert. Dort erhalten sie Hilfe bei medizinischen, psychischen und sozialen Problemen. Dafür benötigen die Eltern die Überweisung durch eine Ärzt*in. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen. Auf der folgenden Seite können Sie nach Sozialpädiatrischen Zentren in Ihrer Nähe suchen:
Auch Kinder mit chronischen körperlichen Erkrankungen wie Asthma, Neurodermitis oder Krebserkrankungen haben häufiger psychische Beschwerden. Mädchen mit dauerhaften körperlichen Leiden erkranken beispielsweise viermal häufiger an einer Depression als gleichaltrige Mädchen ohne chronische Erkrankung. Die Kinder und ihre Familien sind durch die körperliche Erkrankung häufig stark belastet. Auch hier kann eine Psychotherapie sinnvoll sein.
Wie intelligent ist mein Kind?
Kinder unterscheiden sich darin, wie schnell sie Informationen verarbeiten und Neues lernen können. Sie können durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich intelligent sein. Manche Kinder benötigen eine spezielle Schule, weil sie eine sehr niedrige Intelligenz haben und geistig behindert sind. Andere sind hochbegabt und brauchen eine besondere Förderung. Falls Eltern Fragen haben, können sie ihr Kind auch von einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in testen und sich beraten lassen.
Erste-Hilfe-Tipps für Eltern
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Deshalb achten Eltern schon früh auf die schulischen Leistungen ihrer Kinder. Das kann dann zu einem Problem werden, wenn die Kinder den Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht werden. Eltern werden dann schnell ungeduldig und machen sich bereits bei Grundschul-Kindern Sorgen um deren berufliche Zukunft. Solcher Elternstress kann den Kindern jeglichen Spaß am Lernen nehmen. Es ist wichtiger, dass Kinder gerne lernen, als dass sie besonders gute Noten erzielen. Kinder sollen in ihrem Tempo lernen können.
Wenn Sie sich Sorgen machen, dass Ihr Kind Probleme in der Schule hat, sprechen Sie mit der Klassenlehrer*in. Sie hat Erfahrungen damit, in welchem Alter Kinder was gelernt haben sollten und kann am besten einschätzen, ob Ihr Kind weitere Unterstützung benötigt. Versuchen Sie auf die Einschätzung der Lehrer*innen zu vertrauen – auch, wenn Sie sich wünschen würden, dass Ihr Kind schneller vorankommt mit dem Lesen, Schreiben oder Rechnen.
Wenn Ihr Kind Probleme in der Schule haben sollte, zum Beispiel mit dem Lernstoff oder mit anderen Kindern, dann ist es besonders wichtig, dass es zu Hause einen sicheren und liebevollen Hafen hat. Seien Sie in der Phase – noch mehr als sonst – für Ihr Kind da. Unternehmen Sie Dinge, die Ihnen und Ihrem Kind gemeinsam Freude machen, setzen Sie es nicht noch mehr unter Druck, fragen Sie, ob Sie ihm helfen können. Akzeptieren Sie aber auch, wenn Ihr Kind nicht reden möchte. Wenn Ihr Kind zu Hause viel Liebe und Aufmerksamkeit erfährt, dann kann es auftanken, um dann die Herausforderungen in der Schule besser zu meistern.
Wo finden wir Hilfe?
Die erste Ansprechpartner*in bei Problemen Ihres Kindes in der Schule ist die Klassenlehrer*in. Wenn Sie sich Sorgen machen, bitten Sie sie um ein Gespräch.
In vielen Schulen gibt es Ansprechpartner*innen, wenn das Kind psychisch belastet ist oder Schwierigkeiten beim Lernen hat. Das können Schulsozialarbeiter*innen oder Schulpsycholog*innen sein. Fragen Sie die Klassenlehrer*in, wie Sie Kontakt aufnehmen können.
Erziehungs- und Familienberatungsstellen sind Anlaufstellen auch für Probleme bei Schulkindern. Auf der Internetseite der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung können Sie Erziehungs- und Familienberatungsstellen in Ihrer Nähe suchen (Beratungsstellen-Suche nach Postleitzahlen):
Manche Eltern möchten sich auch erstmal anonym beraten lassen. Dies ist über das Elterntelefon »Nummer gegen Kummer« (08 00 1 11 05 50) und die Online-Elternberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung möglich:
www.elternsein.info/beratung-anonym/beratung-fuer-eltern-anonym-und-kostenlos
Für manche Eltern kann es auch hilfreich sein, sich mit anderen auszutauschen, die in der gleichen Situation sind. Dafür sind Selbsthilfegruppen für Eltern da. In der Datenbank der nakos-Selbsthilfegruppen können Sie nach »Psychisch kranke Kinder« oder »Angehörige psychisch Kranker« und Ihrem »Wohnort« suchen:
Falls Sie in der Datenbank keine geeignete Selbsthilfegruppe finden, können Sie sich bei nakos auch telefonisch informieren: 030 31 01 89 60
Wenn Sie klären möchten, ob Ihr Kind psychisch krank ist, können Sie sich auch an Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen werden. Wie Sie hierbei vorgehen, können Sie im Kapitel »Ablauf einer Psychotherapie« nachlesen.
Manche Kinder, zum Beispiel mit sehr stark ausgeprägter Hyperaktivität und extremen Konzentrationsstörungen, können auch Medikamente benötigen, insbesondere wenn die Kinder dadurch in der Schule und in der Familie auffallen und dies ihre weitere Entwicklung gefährdet. Für eine medikamentöse Behandlung sind Kinder- und Jugendpsychiater*innen die richtigen Ansprechpartner*innen.
Wenn Sie mehr wissen wollen
Erfahrungsbericht
Eine Mutter lernt, die borstig-rebellischen Eigenschaften ihrer Tochter schätzen.