Im Säuglingsalter fühlen sich Kinder noch vollständig mit ihren Eltern verbunden. Erst im Laufe des zweiten Lebensjahres beginnen sie zu verstehen, dass sie und ihre Eltern nicht dieselbe Person sind. Das ist auch die Zeit, in der Kinder anfangen, die Welt auf eigene Faust zu erkunden und ihren eigenen Willen zu entdecken. Dies führt zwischen Eltern und Kindern nicht selten zu Konflikten. Die Eltern müssen ihre Kinder immer wieder bremsen und vor Unfällen bewahren, während die Kinder nicht verstehen, warum sie nicht dürfen, was sie wollen.
Manche Kinder nehmen eher hin, wenn die Eltern Nein Sagen, andere wollen stärker ihren Willen durchsetzen. Sie reagieren wütend und trotzig, brüllen, schlagen um sich und werfen sich auf den Boden. Eltern missverstehen diese Zeit häufig als »Trotzphase«. Sie dauert so lange, bis die Kinder so gut sprechen können, dass sie ihren Eltern sagen können, was sie gerne möchten. In dieser Zeit lernt das Kind auch, Enttäuschungen auszuhalten und auch starke Gefühle wie Wut feiner zu dosieren. Den meisten Kindern gelingt dies im Laufe des vierten Lebensjahres.
Selbstständigkeit unterstützen
Auch wenn Eltern in den ersten Lebensjahren stets ein Auge darauf haben sollten, was ihr Kind in seinem Entdeckerdrang alles unternimmt: Eltern sollten das Kind in seinem Streben unterstützen, selbstständig zu werden. Für das Kind ist es ein tolles Erlebnis, wenn es loslaufen und unbekannte Dinge anfassen und untersuchen kann. Es erkundet die Welt ohne fremde Hilfe und das macht ihm großen Spaß. Es stellt fest, was es mag und was nicht. Es entdeckt sich selbst und seine Fähigkeiten. Eltern sollten diese Expeditionen, dieses Ausprobieren und auch Loslösen fördern. Das Kind kann neue Fähigkeiten nur erlernen, wenn die Eltern dies zulassen. Ein spannendes Abenteuer kann manchmal zu blauen Flecken führen. Das Erklimmen von Treppen kann zehnmal länger dauern, als wenn der Vater das Kind hochgetragen hätte. Doch Eltern sollten sich, wenn möglich, die Zeit nehmen und ihr Kind auch bei Besteigungen von Treppenhausgipfeln begleiten.
Dabei müssen die Eltern immer wieder neu einschätzen, was das Kind schon allein kann und was nicht. Ein zweijähriges Kind, das noch nicht sicher auf den Beinen unterwegs ist, sollte nicht unbeaufsichtigt ein großes Klettergerüst erkunden. Und auch eine Dreijährige* darf noch nicht allein über die Straße gehen, da sie den Verkehr und seine Regeln noch gar nicht überblickt. Aber alle Dinge, die nicht mit ernsten Gefahren für das Kind einhergehen, sollten ihm erlaubt werden – auch wenn es Zeit und Nerven kostet und noch so viele andere Dinge zu erledigen sind. Eltern sollten nicht zu viel des Guten tun und den Kindern zu viel abnehmen. Kleine Kinder sind ungeschickt und bekommen viele Dinge nicht sofort hin. Dabei geht es allerdings gerade um das Herumprobieren, das Noch-nicht-Hinkriegen und darum, es nochmals anders zu versuchen. Kinder sollten es möglichst selbst tun dürfen. Eltern sollten sie es ausprobieren lassen. So fördern sie am besten das Selbstvertrauen ihres Kindes. In diesen Jahren können sie die Grundlagen für eine lebenslange Selbstsicherheit legen.
Wutanfälle ertragen
Für Eltern kann die Zeit, wenn kleine Kinder ihren Willen entdecken, sehr anstrengend sein. Ihre Wutanfälle sind nicht immer leicht zu ertragen. Wenn das Kind an der Supermarktkasse weint und tobt, weil es eine Süßigkeit nicht bekommt, wenn es auf dem Spielplatz ein Getränk auf den Boden wirft, weil es das falsche ist – dann wird die Geduld der Eltern oft arg strapaziert.
Es kann helfen, sich immer wieder klarzumachen: Das Kind schafft es noch nicht, anders zu reagieren. Es ist sehr enttäuscht, weil es nicht seinen Willen bekommt, aber hat noch nicht gelernt, seinen Willen mit anderen abzustimmen und starke Gefühle schonend in Worte zu fassen.
Aus seiner Sicht bleibt ihm nichts anderes übrig, als lautstark zu versuchen, doch noch den Apfelsaft zu bekommen, auf den es jetzt gerade so einen Durst hat. Das Kind versteht häufig auch einfach nicht, warum es nicht das bekommt, was es will.
Deshalb immer wieder der Rat an die Eltern: Ruhig bleiben und abwarten, bis der Wutanfall vorüber ist. Eltern können versuchen, ihre Entscheidung zu erklären, einen Kompromiss zu finden, aber häufig geht es dem Kind darum, seinen Frust auszudrücken. Dabei verlieren sich Kinder nicht selten in dem starken Gefühl und können auch nicht anders, als es wie eine Welle passieren zu lassen.
Mein Kind kommt in die Kita
Der Kita-Start ist für ein Kind nach der Geburt die nächste große Veränderung in seinem Leben. Fast jedes dreijährige Kind in Deutschland geht in eine Kita oder Kindertagespflege. Für die Kinder bedeutet dies, dass sie sich täglich für mehrere Stunden von ihren Eltern trennen müssen. Das fällt vielen Kindern nicht leicht. Mama und Papa sind nicht mehr an ihrer Seite, wenn sie Nähe brauchen, sich weh getan haben oder müde und durstig sind. Sie müssen sich daran gewöhnen, dass andere Menschen auf sie aufpassen und für sie da sind. Und sie sind mit vielen anderen Kindern zusammen, die sie kennenlernen und mit denen sie auskommen müssen. Deshalb dauert die Eingewöhnung in die Kita meist einen Monat, manchmal auch länger. In dieser Zeit sind die Eltern anfangs noch in der Kita dabei, später schnell erreichbar. Große Veränderung brauchen Zeit. Manche Kinder stellen sich schnell um, manche langsamer. Jedes Kind hat sein Tempo.
In der Kita lernen die Kinder auch, in einer Gruppe mit gemeinschaftlichen Regeln klarzukommen. Viel stärker als bei den Eltern müssen die Kinder lernen, zu warten und sich die Aufmerksamkeit der Erzieher*innen zu teilen. Das, was sie wollen, müssen sie viel häufiger abstimmen. Ihr Wille trifft auf den Willen anderer Kinder, Konflikte müssen gelöst und Kompromisse gefunden werden. Die Regeln in der Gruppe müssen von allen beachtet werden. Außerdem erleben sie Unterschiede zwischen sich und den anderen Kindern. Andere Kinder sind älter, stärker, klüger oder geschickter – und auch das muss ein Kind erst einmal lernen auszuhalten.
Für all das brauchen Kinder Zeit und Übung. Deshalb ist ein Kita-Tag für Kinder durchaus anstrengend und erschöpfend, auch wenn sie aus der Sicht der Eltern den ganzen Tag spielen. Im Grunde ist ein Kita-Tag für die Kinder mindestens so anstrengend wie ein Arbeitstag für die Eltern. Denn die Eltern haben als Erwachsene schon in vielen Dingen Routine. Kinder aber müssen täglich Neues begreifen und Unbekanntes erkunden. Neues fordert aber weit mehr als Gewohntes. Das erklärt auch, warum Kinder manchmal nicht gerne in die Kita gehen, sondern lieber zu Hause bleiben wollen. Dies kann auch nach dem anfänglichen Eingewöhnen passieren. Sei es, weil die Lieblingserzieher*in nicht mehr da ist, neue Kinder in die Gruppe gekommen sind oder einfach, weil das Kind gerade einen Entwicklungsschub macht und insgesamt etwas aus dem Lot ist. Dann kann ein Tag in der Kita zu viel sein. Das Kind ist plötzlich wieder sehr anhänglich oder mit nichts zufrieden. Viele Eltern sind beruflich darauf angewiesen, dass die Kinder in die Kita gehen und funktionieren. Die Kinder müssen dieses Funktionieren jedoch noch lernen. Geduld und Verständnis sind für sie eine wichtige Basis, um die Herausforderungen des Kita-Alltags zu meistern.
Mein Kind kann sich nicht von mir trennen
Es ist völlig normal, dass Kleinkinder am liebsten bei den Personen sind, die ihnen am nächsten und vertrautesten sind. Kleinkinder müssen erst lernen, dass die Eltern wiederkommen, wenn sie den Raum oder die Wohnung verlassen oder wenn sie sie zur Kita bringen. Trennungen von den Eltern können Kindern fast auf die gleiche Weise wehtun wie körperlicher Schmerz. Mit zunehmendem Alter fallen ihnen zeitweise Trennungen aber leichter, weil sie verstehen können, dass die Eltern wiederkommen.
Es gibt jedoch Kinder, die weiterhin weinen, wenn Mama oder Papa sich verabschieden. Sie lassen sich auch nicht von Kita-Erzieher*innen trösten oder ablenken. Solche Kinder haben Trennungsangst. Eine solche Angst kann für die Eltern ein Problem werden, wenn sie wieder Arbeiten gehen müssen und sie auf die Betreuung in der Kita angewiesen sind. Kinder weinen zu lassen, bis sie aus Erschöpfung damit aufhören, ist jedoch keine gute Idee. Die Angst zu übergehen und das Kind allein zu lassen, obwohl es die Eltern nicht loslassen kann, ist verletzend. Meist hilft es, in kleinen Schritten voranzugehen.
Kurze Trennungen lassen sich schon im Familienalltag üben: Andere Eltern mit Kleinkindern besuchen und ab und zu den Raum verlassen.
Opa und Oma das Kind versorgen lassen, erst in der Wohnung des Kindes, dann in der Wohnung der Großeltern. Die Kita bleibt für ängstliche Kinder jedoch immer noch ein großer Sprung. Deshalb brauchen diese Kinder auch mehr Zeit, die Erzieher*innen kennen und ihnen vertrauen zu lernen. Haben sie erlebt, dass sie auch bei den Erzieher*innen Trost und Nähe finden können, ist die Eingewöhnung in die Kita so gut wie geschafft. Reicht auch ein solch fließender Übergang nicht aus, sollten Eltern überlegen, sich professionelle Hilfe zu suchen.
Mein Kind läuft oder spricht immer noch nicht!
Eltern können es meist nicht lassen: das eigene Kind mit anderen zu vergleichen. Die gleichaltrige Tochter einer Freundin läuft schon lange auf zwei Beinen durch das Leben, während die eigene Tochter immer noch das Krabbeln vorzieht. Oder der Kita-Freund, der mit zwei Jahren schon ganze Sätze spricht, während der eigene Nachwuchs gerade mal drei Wörter nuschelt.
Doch nichts kann mehr täuschen als der Vergleich mit anderen Kindern: Kinder entwickeln sich sehr unterschiedlich. Die Zeitspanne, in der Kinder zum Beispiel laufen oder sprechen lernen, ist enorm groß. Die meisten Kinder machen die ersten Schritte mit 13 bis 14 Monaten. Einige Kinder laufen aber schon mit acht bis neun Monaten, andere erst mit 18 bis 20 Monaten.
Auch beim Sprechen entwickeln sich Kinder sehr unterschiedlich. Die meisten Kinder sprechen ihre ersten Wörter zwischen zwölf und 18 Monaten, frühestens aber zwischen acht und zwölf Monaten.
Manche Eltern müssen sich aber länger gedulden: Ihre Kinder sprechen nicht vor 20 bis 30 Monaten (Angaben entstammen aus dem Buch des Kinderarztes Remo Lago »Babyjahre«).
Eltern sollten sich also erstmal keine Sorgen machen, wenn ihr Kind später dran ist als andere. Sie sollten sich bei ihrer Kinderärzt*in rückversichern. Sie beobachtet die Entwicklung des Kindes in den regelmäßigen Früh-Untersuchungen (U1 bis U9). Kinderärzt*innen können verlässlich einschätzen, ob alles im grünen Bereich ist oder ob sich die Entwicklung ihres Kindes ungewöhnlich verzögert.
Erste-Hilfe-Tipps für Eltern
Ihr Kind wird zunehmend häufiger Dinge allein tun wollen, selbst wenn es das eigentlich noch nicht kann. Bremsen Sie Ihr Kind in seinem Streben nach Selbstständigkeit nicht aus. Unterstützen Sie seinen Willen, Dinge allein tun zu wollen, und bieten Sie so viel Unterstützung wie nötig, jedoch nicht mehr. Dadurch lernt Ihr Kind auch, dass Sie ihm vertrauen. Das stärkt sein Selbstbewusstsein – auch über das Kindesalter hinaus.
Wutanfälle gehören in den ersten Jahren des Kindes dazu. Das ist normal und auch wichtig. Versuchen Sie, so gelassen wie möglich damit umzugehen. Wenn möglich, lassen Sie Ihrem Kind seinen Willen. Wenn ein Kind vor Wut mit Sachen schmeißt, bieten Sie ihm an, in ein Kissen zu hauen.
Überlegen Sie sich, was Ihr Kind auf keinen Fall machen darf, zum Beispiel den Herd anfassen, wenn er heiß ist, andere Kinder hauen und beißen. Bleiben Sie dann konsequent bei den Verboten. Die Zahl der Neins sollte begrenzt sein.
Manche Kinder brauchen länger, um sich von den Eltern zu lösen und damit einverstanden zu sein, zum Beispiel ganztags in einer Kita betreut zu werden. Versuchen Sie, wenn möglich, sich auf das Kind und sein Tempo einzustellen. Auch Ihr Kind wird lernen, dass es okay ist, in der Kita betreut zu werden oder eine Zeit lang zu warten, bis sein Bedürfnis befriedigt wird. Manche Kinder brauchen dafür aber etwas länger als andere. Das ist völlig in Ordnung.
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Erfahrungsbericht
Wenn ein Kind nicht allein in die Kita möchte.